In Deutschland werden pro Jahr bis zu 400 Mrd. Euro vererbt, beispielsweise in Form von Geld, Wertgegenständen oder Immobilien. Dieser „Nachlass“ wird in der Regel unter mehreren Erben aufgeteilt. Die Gruppe aller Miterben, die vom gleichen Nach-lass bedacht werden, wird als „Erbengemeinschaft“ bezeichnet.
Eine Erbengemeinschaft entsteht beispielsweise dann, wenn die verstorbene Person mehrere Kinder hinterlässt und die Verteilung des Erbes nicht bereits zu Lebzeiten in einem Testament festgelegt hat — unabhängig davon, ob die Erben eine Erbenge-meinschaft wünschen oder nicht. Bei mehreren testamentarischen Erben handelt es sich ebenfalls um eine Erbengemeinschaft.
Welche rechtlichen Folgen sind damit verbunden? Kann jederzeit auf den eigenen Anteil am Erbe zugegriffen werden? Welchen Pflichten muss ein Miterbe nachkommen? Und wer muss für Schulden aus einem Nachlass aufkommen?
Die Gesamthandsgemeinschaft
Jedem Miterben gebührt ein Anteil des Nachlasses, der der Höhe seines Erbteils entspricht. Allerdings können die Miterben ihren jeweiligen Anspruch nicht auf einzelne Gegenstände des Nachlasses erheben. Stattdessen gehört jeder Nachlassgegenstand den Miterben gemeinschaftlich – die Erben bilden eine sogenannte Gesamthandsgemeinschaft. Erst durch die Aufteilung des Nachlasses werden die Erbengemeinschaft und damit einhergehend auch die Gesamthandsgemeinschaft aufgelöst.
Verfügungsbefugnis der Miterben
Ziel einer Erbengemeinschaft ist es, die Nachlassgläubiger auszuzahlen und den verbleibenden Nachlass entsprechend der Erbanteile aufzuteilen. Um den Nachlass bis zur Aufteilung zu erhalten, gibt es einen klaren Rahmen innerhalb dessen Miterben über das Erbe verfügen dürfen:
Als Teil der Erbengemeinschaft steht jedem Miterben bei Abstimmungen über den Nachlass ein Stimmrecht entsprechend seines Erbanteils zu. So lange die Erbengemeinschaft besteht, kann der einzelne Miterbe zwar keine einzelnen Gegenstände aus dem Nachlass veräußern, wohl aber seinen gesamten Anteil (§ 2033 BGB). In diesem Fall scheidet der ursprüngliche Erbe aus der Erbengemeinschaft aus und der Erwerber des Anteils übernimmt seine Stellung. Durch einen solchen Verkauf kann der Miterbe seine Anteile am Nachlass sofort wirtschaftlich nutzbar machen und muss nicht auf die Teilung des Nachlasses warten. Allerdings wird in solchen Fällen meist ein Preis erzielt, der deutlich niedriger ist als der tatsächliche Wert des Nachlasses. Die Höhe der Differenz lässt sich jedoch meist nicht genau schon bei der Veräußerung des Anteils am Nachlass feststellen. Verkauft, tauscht oder verschenkt ein Miterbe seinen Anteil, so bedarf dieser Vorgang einer notariellen Beurkundung (§§ 2371, 2385 Abs. 1 BGB). Auch die Verfügung, also die eigentliche Übertragung des Anteils auf den Erwerber, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 2033 Abs. 1 S. 2 BGB)
Einzelne Gegenstände aus dem Nachlass können nur mit dem Einverständnis aller Miterben veräußert werden (§ 2040 Abs. 1 BGB). Wird beispielsweise eine Immobilie vererbt, die ein Miterbe veräußern möchte, so müssen alle Miterben dieser Veräu-ßerung zustimmen und an der Übertragung an einen Erwerber mitwirken. Die Mit-erben können sich wie bei jedem Vertragsabschluss vertreten lassen oder eine Verfügung, die von einem Nichtberechtigten vorgenommen wurde, nachträglich genehmigen.
Durch diese Regelung werden sowohl die Miterben als auch die Nachlassgläubiger vor einer Entwertung des Nachlasses geschützt.
Haftungsrechtliche Konsequenzen für die Erbengemeinschaft
Hinterlässt die verstorbene Person der Erbengemeinschaft Schulden, so wird hinsichtlich der Haftung zwischen drei Zeiträumen unterschieden: dem Zeitraum bis zur Annahme der Erbschaft, dem Zeitraum von der Annahme bis zur Teilung des Nachlasses und schließlich dem Zeitraum ab der Teilung des Nachlasses.
Bis zur Annahme der Erbschaft hat der potenzielle Erbe keinerlei Rechte und Pflichten und kann nicht für mögliche Forderungen von Gläubigern haftbar gemacht werden (§ 1958 BGB).
Das ändert sich mit Annahme des Erbes: Ab diesem Zeitpunkt kann ein Gläubiger jeden der Miterben auswählen und ihn für die Schulden des Erblassers in voller Höhe haftbar machen – mit seinem eigenen Vermögen (§ 1967 BGB). Der Erbe wird zum „Gesamtschuldner“. Im Innenverhältnis zu den anderen Erben haftet der in Anspruch genommene Miterbe aber nur in Höhe seines Erbteils. Begleicht er die gesamte Schuld, kann er von seinen Miterben einen Ausgleich entsprechend ihrer Erbquoten fordern.
Bis zur Teilung des Nachlasses hat der Miterbe allerdings die Möglichkeit, seine Haftung auf seinen Erbteil zu beschränken (vgl. § 2059 I S. 1 BGB). Das hat die für ihn die günstige Konsequenz, dass der Gläubiger nur diesen Anteil pfänden und verwerten kann. Das sonstige Eigenvermögen des Miterben bleibt dagegen unberührt. Ab dem Zeitpunkt der Teilung des Nachlasses ist dies nur noch in engen Ausnahmefällen möglich.
Geht der Gläubiger mit einer „Gesamthandsklage“ gegen die gesamte Erbengemeinschaft vor, so ist diese Klage von vornherein nur auf eine Vollstreckung in den Nachlass gerichtet (§ 2059 Abs. 2 BGB). Das sonstige Vermögen der Miterben bleibt in diesem Fall unberührt.
Verwaltungspflicht
Bis zur Auflösung der Erbengemeinschaft sind die Miterben verpflichtet an der Verwaltung des gemeinschaftlich geerbten Nachlasses mitzuwirken (§ 2038 Abs. 1 BGB). Pflicht gilt sowohl für die Willensbildung als auch für Abstimmungsprozesse und die Umsetzung beschlossener Maßnahmen.
Für einfache Verwaltungsmaßnahmen, die sogenannten „Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung“, reicht bei Abstimmungen eine Mehrheitsentscheidung. Dies ist etwa der Fall, wenn entschieden wird, wie ein Nachlassgegenstand genutzt werden soll oder wenn es darum geht, Schulden des Nachlasses zu begleichen. Dabei richtet sich das Stimmrecht der Miterben nach der Größe ihres Erbanteils.
Anders verhält es sich bei sogenannten außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen, die massive Veränderungen für den gesamten Nachlass bedeuten. Handelt es sich beispielsweise bei einem vererbten Grundstück mit einem verfallenen Haus um den wesentlichen Wert eines Nachlasses und einer der Erben möchte die vererbte Immobilie sanieren, würde der Nachlass dadurch maßgeblich verändert. Solche Eingriffe können von Erbengemeinschaften nur einstimmig beschlossen werden.
Einzige Ausnahme sind Maßnahmen, die kurzfristig umgesetzt werden müssen, um den Erhalt des Nachlasses zu sichern, und bei denen die Miterben nicht zeitnah erreichbar sind. Diese „Notverwaltungsmaßnahmen“ dürfen Miterben auch allein veranlassen. Ein Beispiel: Ein Miterbe entdeckt einen Schaden im Dach eines gemeinschaftlich geerbten Hauses. Er kann die anderen Miterben nicht erreichen, für das Innere des Hauses droht jedoch beim nächsten Starkregen ein erheblicher Schaden. In diesem Fall kann er die Reparatur des Daches ohne Rücksprache veranlassen.
Darüber hinaus sind Miterben verpflichtet, sich an den Kosten für den Erhalt des Erbes zu beteiligen. Die Verteilung der Kosten richtet sich nach dem jeweiligen Erbanteil und beschränkt sich auf die im Nachlass vorhandenen Mittel (§§ 2038 Abs. 2 S. 1, 748 BGB). Das bedeutet, dass keiner der Erben verpflichtet ist, eigene Mittel vorzuschießen.
Können die Erben von einem Miterben, der das gemeinschaftlich geerbte Haus allein bewohnt, eine „Miete“ verlangen?
Hinterlässt der Verstorbene einer Erbengemeinschaft eine Immobilie, beispielsweise das Elternhaus, und einer der Miterben nutzt das Haus alleine, stellt sich häufig die Frage, ob die anderen Miterben eine „Miete“ verlangen können. Grundsätzlich hat jeder Miterbe das Recht alle Nachlassgegenstände zu nutzen. Dabei darf er die Nutzungsrechte der anderen aber grundsätzlich nicht einschränken. Konkrete Regelungen, beispielsweise über die alleinige Nutzung eines Autos oder einer Immobilie durch einen Miterben, kann die Erbengemeinschaft eigenständig festlegen.
Dadurch, dass die Immobilie durch einen Miterben alleine genutzt wird, ergibt sich noch kein Anspruch der anderen Miterben auf Nutzungsentschädigung. Erst, wenn der oder die andere/n Miterben ihre Nutzungsrechte an einer Immobilie geltend machen und der die Immobilie bewohnende Miterbe dem bzw. den anderen Miterben ihre Nutzungsrechte nicht gestatten will, können die anderen Miterben eine Nutzungsentschädigung verlangen. Der oder die übrigen Miterben müssen dafür also zuerst eine sogenannte Neuordnung der Benutzung des Nachlassgegenstandes vom die Immobilie bewohnenden Miterben fordern (§ 745 II BGB, LG Mönchengladbach, Beschluss v. 22. April 2016 – 11 O 1/16 -). Ohne Geltendmachung eigener Nutzungsrechte entsteht also kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Die Absicht, die geerbte Immobilie zu vermieten, zählt auch als Nutzungsrecht, das geltend gemacht werden kann.
Zu beachten ist, dass das Nutzungsrecht nicht rückwirkend geltend gemacht werden kann. Die Nutzungsentschädigung wirkt nur in die Zukunft, ab dem Zeitpunkt, ab dem ausdrücklich eine Neuregelung der Benutzung verlangt worden ist. Das bedeutet, dass ein Mitglied einer Erbengemeinschaft von einem anderen Mitglied, das eine Immobilie der Erbengemeinschaft bewohnt, nicht im Nachhinein eine Nutzungsentschädigung verlangen kann, wenn nicht zuvor eine Neuregelung der Nutzung verlangt wurde.