Der Wert einer Immobilie hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Welche am wichtigsten sind und warum der Marktpreis vom ermittelten Verkehrswert abweichen kann und wie Sie im Falle einer Erbauseinandersetzung den Verkehrswert Ihrer Immobilie gerichtsfest feststellen lassen können erfahren Sie in diesem Beitrag.
Wertbildende Faktoren
Für die Bewertung einer Immobilie sind vor allem vier Faktoren entscheidend: Die Lage und Lageentwicklung, der Zustand, die Größe und der Bodenwert.
Lage und Lageentwicklung
Das wohl wichtigste Kriterium zur Bewertung einer Immobilie ist deren Lage und die zu erwartende Lageentwicklung. Die Lage wird in der Regel aus zwei Perspektiven beurteilt, der Makro- und der Mikrolage. Die Makrolage bezieht sich dabei auf die Stadt und das Umland, also die Region in der eine Immobilie liegt, während die Mikrolage die unmittelbare Nachbarschaft betrachtet.
Die Makrolage einer Immobilie wird vor allem dann als positiv eingeschätzt, wenn die Bevölkerung in der Region in der sie liegt wächst. Ursächlich hierfür sind beispielsweise Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, oder Universitäten, die junge Menschen zur Ausbildung anziehen. Da in vielen Regionen, vor allem in Großstädten, das Bauland begrenzt ist, ist hier bei anhaltendem Zuzug mit einer höheren Nachfrage nach Wohnraum und einem daraus resultierenden Preisanstieg zu rechnen. Daher wird der Wert einer Immobilie in solchen Lagen höher eingeschätzt als in strukturschwachen Regionen mit Bevölkerungsrückgang.
Für die Bewertung der Mikrolage ist das lokale Wohnumfeld entscheidend. Je attraktiver das Quartier für seine Bewohner ist, desto höher wird die Nachfrage nach Wohnimmobilien sein, was sich wiederrum positiv auf den Preis auswirkt. Ein attraktives Wohngebiet bietet eine gute Nahversorgung mit allen Dingen des täglichen Bedarfs: beispielsweise Supermärkte, Apotheken, Ärzte, Restaurants und es ist gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Es ist frei von störenden Lärm- oder Geruchsquellen und bietet eine gute Sozialstruktur der Bewohner. Gute Parkmöglichkeiten und kurze Wege zu Freizeitangeboten und in die umliegenden Naherholungsgebiete werden ebenfalls positiv bewertet.
Ausstattung und Zustand
Außerdem entscheiden Ausstattung und Zustand der Immobilie über deren Wert. Dabei müssen alle Gewerke berücksichtigt werden: Die technische Gebäudeausstattung, also Heizsysteme, Sanitär- und Elektroanlagen, aber auch das Dach, die Fenster, die Bodenbeläge und deren Qualität sowie die Bausubstanz im Allgemeinen. In Anlage 24 Absatz 3 des Bewertungsgesetzes findet sich eine Tabelle, in der die verschiedenen Qualitätsstufen der einzelnen Ausstattungsmerkmale und Gewerke aufgelistet sind.
Größe und Zuschnitt
Ebenfalls zu berücksichtigen sind Wohnfläche und Zuschnitt der Immobilie. Insbesondere bei der Wohnfläche ist die lokale Nachfrage nach bestimmten Wohnungs- oder Hausgrößen entscheidend. Liegt die Immobilie außerhalb dieser Größenordnung, kann sich das nachteilig auf deren Marktwert auswirken. Ein Beispiel: Aufgrund vieler Einzelhaushalte sind in Innenstädten häufig kleinere Wohnungen sehr gefragt, während solche Wohnungen in ländlicheren Regionen teilweise nur schwer vermietbar oder verkäuflich sind.
Bodenwert
Einen Anhaltspunkt für den Bodenwert liefert der Bodenrichtwert. Dieser Wert wird von den lokalen Gutachterausschüssen mindestens zum Ende jedes zweiten Kalenderjahres ermittelt. Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert der vergangenen Grundstücksverkäufe. Auch er fließt in die Bewertung ein.
Die Verfahren zur Verkehrswertermittlung
Bei dem Verkehrswert handelt es sich um den „unter gewöhnlichen Umständen zum Bewertungsstichtag erzielbaren Kaufpreis“ (§ 194 BauGB). Das Gesetz unterscheidet zwischen drei Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswerts: dem Vergleichswertverfahren, dem Ertragswertverfahren und dem Sachwertverfahren. Deren Voraussetzungen sind geregelt in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV).
Vergleichswertverfahren
Für das Vergleichswertverfahren werden die erzielten Kaufpreise von vergleichbaren Grundstücken herangezogen. Verglichen werden Lage, Baujahr, Zustand und Ausstattung des jeweiligen Gebäudes. Je einzigartiger die zu bewertende Immobilie ist, desto eher scheidet das Vergleichsverfahren aus. Es eignet sich besonders zur Bewertung von unbebauten Grundstücken und Eigentumswohnungen.
Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren wird vor allem bei Renditeobjekten angewendet, also Immobilien, bei denen die Ertragserzielung im Vordergrund steht. Das können beispielsweise Mietwohnungen oder Mehrfamilienhäuser sein. Ausschlaggebend für diese Bewertung ist die nachhaltig erzielbare Jahresmiete nach Abzug aller Bewirtschaftungskosten. Diese wird anschließend mit einem Vervielfältiger multipliziert, dessen Höhe aus der zu erwartenden Restnutzungsdauer des Gebäudes und dem Liegenschaftszins abgeleitet wird. Zu diesem Wert wird der Bodenwert hinzuaddiert.
Sachwertverfahren
Im Sachwertverfahren ergibt sich der Verkehrswert vereinfacht gesprochen aus dem Gebäudewert zuzüglich dem Bodenwert. Der Gebäudewert entspricht den Kosten, die für einen vergleichbaren Neubau kalkuliert werden müssten, abzüglich einer altersbedingten Wertminderung. Wurde das Gebäude zwischenzeitlich saniert, so fällt der Wertabzug geringer aus. Das Sachwertverfahren wird insbesondere bei selbstgenutzten Immobilien, beispielsweise Einfamilienhäusern angewendet.
Verkehrswert und Marktpreis
Die Ermittlung des Verkehrswerts durch eines der Verfahren gibt einen guten Indikator für den erzielbaren Marktpreis. Die aktuelle Marktnachfrage wird allerdings nur bedingt berücksichtigt. Ist diese zwischenzeitlich angestiegen, z.B. weil die Lage durch den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln aufgewertet wurde oder ein neuer Arbeitgeber in der Region für Zuzug gesorgt hat, kann der Marktpreis deutlich oberhalb des ermittelten Verkehrswerts liegen. Ein umgekehrtes Ergebnis ist genauso denkbar.
Wertgutachten
Eine professionelle Bewertung in Form eines Wertgutachtens sollte von einem Experten erstellt werden, beispielsweise durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Die lokale IHK listet alle im jeweiligen Bezirk niedergelassenen Sachverständigen auf. Ein gleichwertiger Kompetenznachweis ist die Akkreditierung des Sachverständigen nach DIN EN ISO/IEC 17024, einer international anerkannten Zertifizierung, die ebenfalls umfassende Prüfungen und vertieftes Expertenwissen voraussetzt.
Das Honorar für die Erstellung eines Verkehrswertgutachtens ist frei verhandelbar. Es orientiert sich in der Regel an der Honorarrichtlinie für Immobilienbewertung des Bundesverbands öffentliche bestellter und vereidigter Sachverständiger oder an dem inzwischen außer Kraft getretenen Teil IV § 34 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Die genaue Höhe hängt vom ermittelten Verkehrswert ab. Je höher der Verkehrswert, desto höher das Honorar.
Immobilienbewertungen, die als Grundlage einer Erbauseinandersetzung erstellt werden, sollten gerichtsfest sein. Es empfiehlt sich daher einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder einen vergleichbar qualifizierten Gutachter zu engagieren. Seine Bewertung wird das Gericht nicht in Frage stellen.
Was macht einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen aus?
Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige haben ein etwa neunmonatiges Verfahren durchlaufen, in dem sie sowohl ihre persönliche als auch fachliche Eignung beweisen müssen. Nachdem sich ein Kandidat bei der Industrie- und Handelskammer beworben hat, bewertet diese zunächst die bereits gesammelte Erfahrung. Hier sind beispielsweise private oder Schiedsgutachten ausschlaggebend, fachliche Veröffentlichungen, eine Doktorarbeit, das Ansehen in der Fachgemeinschaft oder auch die Mitgliedschaft in fachspezifischen Ausschüssen. Außerdem werden öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige von einem Fachgremium sowohl mündlich als auch schriftlich geprüft. Weist ein Bewerber außerdem nach, dass er in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt und unparteilich und unabhängig begutachten kann, entscheidet ein Fachgremium darüber, ob er von nun an als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger bestellt oder abgelehnt wird.